Massaker von Luxor traf Schweiz ins Mark
Das Pressefoto brannte sich ins kollektive Gedächtnis der Schweiz: Vom Hatschepsut-Tempel in Luxor ergiesst sich eine breite Blutlache bis in den Vordergrund. Das Bild erwies sich zwar als manipuliert - die Macher hatten eine Wasserlache rot eingefärbt. Der bis dahin blutigste Terroranschlag auf Touristen aber war grausame Realität.
Mit automatischen Gewehren und Messern bewaffnete, als Polizisten verkleidete Männer hatten am Morgen des 17. November 1997 um etwa 9 Uhr den Totentempel der Hatschepsut am Westufer des Nils gestürmt. Mehr als eine halbe Stunde lang feuerten sie wahllos auf die Besucher, zu denen auch Reisegruppen von Kuoni, Imholz und Hotelplan gehörten.
58 Touristen starben im Kugelhagel oder wurden mit Messern massakriert. Unter ihnen waren 36 Schweizer, zehn Japaner, sechs Briten, vier Deutsche und zwei Kolumbianer. Auch vier einheimische Wachleute fanden den Tod. Weitere 24 Personen wurden verletzt, unter ihnen zwölf Schweizer.
Die Täter wurden auf der Flucht erschossen oder brachten sich selber um. Sie hinterliessen ein Bekennerschreiben der Gamaa Islamija. Kurz nach der Tat schrieben die ägyptischen Behörden unter anderen den militärischen Führer der islamistischen Organisation, Mustafa Hamza, zur Fahndung aus. Finanziert haben soll die Tat Al-Kaida-Chef Osama bin Laden.
"Restlose Aufklärung"
"Wer auf solch abscheuliche Weise Leben auslöscht, macht sich zum Feind der ganzen Menschheit." Mit diesen Worten verurteilte Bundespräsident Arnold Koller an der nationalen Trauerfeier im Zürcher Grossmünster am 29. November die Tat. Im Beisein des ägyptischen Aussenministers Amre Mussa forderte er eine restlose Aufklärung des Verbrechens.
Daran zeigte sich die Regierung in Kairo von Anfang an nicht wirklich interessiert. Ihre Hauptsorge galt dem Tourismus, der nach dem Attentat völlig zusammengebrochen war. Auf einen im Mai 1999 übermittelten, 116 Punkte umfassenden Fragenkatalog erhielt die Schweiz nur lückenhafte Antworten. Eine Entschädigung für die Hinterbliebenen lehnte Ägypten ab. Es fürchtete einen Präzedenzfall.
Tragischer Zufall
Auch der Schweiz lag offenbar an einer raschen Rückkehr zum "Courant normal". Darauf deutet jedenfalls die Tatsache hin, dass das Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI), das heutige Seco, schon einen Monat nach der Tat eine Beteiligung von 40 Millionen Franken an einem Mischkredit für Ägypten in Aussicht stellte.
Im Februar 2000 erklärte Aussenminister Joseph Deiss bei einem Besuch in Luxor die Akte für geschlossen, und die Bundesanwaltschaft stellte das Strafverfahren im folgenden Monat ein. Laut der Bundespolizei waren die Schweizer Opfer eines tragischen Zufalls geworden. Die Terroristen hätten nicht die Schweiz im Visier gehabt, sondern den Tourismus in Ägypten und damit die Stabilität der Regierung, heisst es im Schlussbericht.
Dass es nie zu einer juristischen Aufarbeitung kam, hinterlässt bei den Hinterbliebenen bis heute einen bitteren Nachgeschmack. "Mich stört, dass das Dossier quasi nonchalant geschlossen wurde", sagte Stephan Kopp im Westschweizer Fernsehen (RTS). Der Zürcher verlor beim Anschlag seine Frau und wurde selber verletzt. Keiner der Ansprüche der Schweiz gegenüber Ägypten sei eingelöst worden, "nichts, null".
Hamza in Haft
Zwei Jahrzehnte nach der Tragödie könnte allerdings wieder Bewegung in die Affäre kommen. Nach Recherchen des RTS-Magazins "Mise au point" wird Hamza seit drei Jahren in einem andere Fall im Kairoer Tora-Gefängnis festgehalten. Gemäss seinem Anwalt Adel Moawad kann er aber schon 2018 mangels Beweisen mit einer Freilassung rechnen.
Die Bundesanwaltschaft (BA) bestätigte gegenüber RTS, dass gegen "die in der Reportage erwähnte Person" ein Verdacht vorliege. Falls sich diese Person tatsächlich in Ägypten aufhalte, sei es an den Behörden des Landes, sie strafrechtlich zu verfolgen, heisst es in der Stellungnahme, die auch der Nachrichtenagentur sda vorliegt.
Zugleich sichert die BA der zuständigen Behörde ihre ganze Unterstützung zu. Die Frage nach konkreten Schritten in der Angelegenheit liess eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft aber unbeantwortet.
Lehren gezogen
Die Tragödie von Luxor hatte die Schweiz 1997 völlig unvorbereitet getroffen. Weil die vom Bund eingerichtete Hotline völlig überlastet war, blieben die Angehörigen lange im Ungewissen. Auch wegen der nur schleppend anlaufenden Opferhilfe kamen die Behörden unter Beschuss.
Die Reiseveranstalter ihrerseits lehnten jede rechtliche Haftung ab. Schliesslich erklärten sie sich zusammen mit den Versicherern zur Zahlung von 4,8 Millionen Franken bereit - "als freiwilliges Zeichen der Solidarität". Bis der Fonds zustande kam, dauerte es bis Herbst 2000.
Nach Luxor und nach dem Flugzeugabsturz von Halifax ein Jahr später richtet das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein Krisenmanagement-Zentrum ein, baute die Reisehinweise zur Sicherheitslage im Ausland aus und richtete eine permanente Helpline ein. Auch die Reisebüros stärkten ihre Krisenorganisation.
Die Opferidentifikation, die nach dem Massaker von Luxor drei Wochen dauerte, wurde professionalisiert. Heute sind die Teams der sogenannten Disaster Victim Identification (DVI) sofort einsatzbereit.
Keine Gedenkfeier
Anders als zehn Jahre nach der Tragödie sind heute in der Schweiz keine offiziellen Gedenkfeiern geplant. Auch vor Ort findet nach dem Kenntnisstand des EDA keine Zeremonie statt. Im Namen der offiziellen Schweiz drückt das Departement den Angehörigen sein Mitgefühl und sein Beileid aus. (sda)
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